Wieso also ist die Kuh so heilig?
Nun die Geschichte fängt an mit dem jungen Krishna, dem Sohn einer königlichen Familie. Krishnas Vater wurde von einer Art Orakel, bereits lange vor seiner Geburt prophezeit, er würde seinen Vater töten weswegen dieser alles daran setzte Krishna zu töten. Doch dieser konnte sich aufgrund seiner magischen Kräfte dem ihm zugedachten Schicksal entziehen und wird von Vasudeva aus den Fängen seiner Eltern gerettet. Um ihn gut zu verstecken bringt er ihn in ein Dorf in dem lediglich einige Kuhhirten wohnen, wo Krishna anschließend seine Kindheit verbringt und von den Dorfbewohnern, aber auch den Kühen des Dorfes, großgezogen und ernährt wird.
Seine Kindheit verläuft weiter anhand vieler kleiner Geschichten und Mythen, die zum Beispiel auch das für die hinduistische Kultur und deren Riten, essentielle Ghi beinhalten. Ghi ist nichts anderes als eine traditionelle indische Butter, welcher allerdings einen hohen Stellenwert bei hinduistischen Ritualen hat. Sie ist damit in etwa vergleichbar mit dem Weihrauch im christlichen Glauben. Der Ghi, also die Butter, kommt natürlich wie viele andere wichtige Produkte, von der Kuh. Der zeremonielle Stellenwert, wie die mythische Bedeutung der Kuh als Lebensspenderin und Ernährerin Krishnas, haben ihr den besonderen religiösen Stellenwert eingebracht den sie heute inne hat. Sie wird als Mutter des Lebens und der Hindus im allgemeinen gesehen und verehrt, weswegen es für Hindus selbstverständlich ist, dass dieses wichtige und lebensspendende Tier einer besonderen Verehrung bedarf. Bei Ihrer Rundreise nach Indien werden sie viele Kühe sehen, zollen Sie ihnen also den nötigen Respekt.
Die Kuh im modernen Indien
Doch wie passt dieses tief religiöse Bild von der Kuh mit dem modernen Indien zusammen? Bei Ihrer Indienrundreise werden Sie immer wieder mit Tradition und Moderne Indiens zu tun haben und die ambivalenz dieser zwei Seiten Indiens sehen. Tatsächlich ist die heilige Kuh in Indien ein kontroverses Thema. Nicht alle Inder sind Hindus und nicht alle Hindus räumen der Kuh den traditionell extrem hohen Stellenwert ein, wie tiefgläubige Hindus. Trotzdem werden Kühe fast überall in Indien mehr oder weniger in Ruhe gelassen, was zu teils chaotischen Situationen im ohnehin recht lebhaften indischen Straßenverkehr führen kann. Staus und kleinere Auffahrunfälle sind keine Seltenheit wenn Kühe eine viel befahrene Straße in einem der Ballungszentren des Landes kreuzen.
Den was für Europäer und insbesondere für die ordnungsliebenden Deutschen eine ziemliche Überraschung sein dürfte: Kühe haben in Indien Vorfahrt – und zwar immer. Wer im Straßenverkehr das Vorfahrtsrecht einer Kuh in Frage stellt oder gar eines der heiligen Tiere anfährt, muss mit empfindlichen Strafen und dem Zorn der Bevölkerung rechnen. Man sollte also stets darauf achten die Kuh als echten Verkehrsteilnehmer wahrzunehmen, auch wenn dieser sich an keine Regeln halten muss. Da kann es schon mal sein dass man einen Umweg in Kauf nehmen muss, weil es sich eines der Tiere gerade auf der Straße gemütlich gemacht hat. Unvorstellbar auf deutschen Straßen, in Indien jedoch Realität.
Wem gehören die Kühe und wieso?
An würde eher nicht auf die Idee kommen, dass all die Kühe die in Indien herumlaufen auch einen Besitzer haben, tatsächlich jedoch trifft dies auf die meisten zu. Denn sie sind unerlässliche Lieferanten für fünf wichtige Naturrohstoffe, welche gleichzeitig auch wichtigen rituellen Opfergaben entsprechen:
Die erste Opfergabe ist das Ghee
Das Ghee ist eine art Butterschmalz, der aus der Milch der Tiere gewohnen wird. Doch wird das Ghee nicht nur verwendet um schmackhafte Speisen zu kochen, sondern es hat auch einen wichtigen rituellen Charakter. So übergießen Hindus ihre Toten vor dem Verbrennen mit Ghee und die Lampen der zahlreichen Tempel des Landes brennen ebenfalls mit Ghee. Es gibt viele weitere Zeremonien sakrale Riten die mit dem Glee zu tun haben.
Die zweite Opfergabe ist der Kuhmist
Der Hinduismus ist eine sehr alte Religion und so erinnern viele Zeremonien und Elemente dieser Religion an alte Zeiten. So auch die Wertschätzung für den Mist der Kühe, welcher in weiten Teilen Indiens noch immer verwendet wird um Lehm und Stroh zu einer wiederstandsfähigen Masse zu vermengen, welche zum Hausbau diehnt. Gewissermaßen ist der Kuhmist in Indien eine Art Mörtel. Doch kommt er auch zum Einsatz um die zahlreichen Felder des Landes zu düngen und er sorgt in Lehmhütten für einen wirksamen Insektenschutz. Außerdem wird er in getrockneter Form auch als Brennmaterial verwendet um Hütten und Öfen zu befeuern.
Die dritte Opfergabe ist der Urin
Zuerst einmal etwas befremdlich, aber nach genauerer Betrachtung nachvollziehbar, ist der Stellenwert des Urins der Kühe für die indische Kultur. Der Urin der indischen Kühe, hat einen hohen rituellen Stellenwert, so wird jeder der in den Hiduismus eintritt mit dem Urin der Tiere bespritzt, was sich geschichtlich wahrscheinlich auf seine antiseptische und somit reinigende Wirkung zurückführen lässt. Denn früher gab es weder Seife noch Antibiotika, weshalb ein natürliches Antiseptikum geradezu magische Kräfte in den Augen der Menschen gehabt haben muss.
Die vierte Opfergabe ist die Milch
Zu erwähnen das Milch ein nützliches Produkt ist, dürfte gerade als Europäer recht überflüssig sein. In unseren Breiten findet es in manigfaltiger Art und Weise anwendung für tausende verschiedene Lebensmittel, aber auch Körperpflegeprodukte und als leckeres Getränk. So auch in Indien, mehr noch, dort ist es ein Bestandteil des beliebtesten Getränk überhaupt. Dem weltberühmten Chai-Tee. Egal ob in einem vornehmen Restaurant der Innenstadt von Delhi oder in einer Lehmhütte im tiefsten Rajasthan, Chai-Tee gibt es überall und für jeden. Er ist gewissermaßen so etwas wie der Kleber der indischen Gesellschaft, da er kastenübergreifend von allen Indern geschätzt und genossen wird. Doch hat die Milch natürlich auch den lebensspendenden Charakter, den Milch als Säuglingsnahrung in fast allen Kulturen rund um den Globus inne hat. Natürlich ifndet die Milch so auch einzug in verschiedenste Opferrituale der hinduistischen Kultur.
Die fünfte Opfergabe ist das Lasshi
Das Lasshi ist eine Art Joghurtdrink und gehört, ebenso wie der Chai zu einer beliebten Erfrischung in Indien. Anders als der Chai-Tee jedoch wird er kalt getrunken, ganz wie Joghurtdrinks bei uns eben auch. Es ist wichtig zu verstehen, wie erfrischend so ein kalter Joghurtdrink für die Inder ist, da es in dem Tropischen Klima mitunter sehr heiß, schwül und stickig werden kann. Eine Erfrischung ist da sehr willkommen. Eine besodners große Rolle spielt der Lasshi in der indischen Kultur, da diese überwiegend aus Vegetariern besteht. Für diese ist es wichtig genug Milch und Milchprodukte zu sich zu nehmen um verschiedene Stoffe aufzunehmen, die für gewöhnlich in Fleischprodukten vorkommen. Doch auch rituell findet der Lasshi wieder einzug in verschiedenste Opfergaben und Rituale.
Muss ich als Tourist etwas im Umgang mit Kühen beachten?
Wer Indien besucht, der taucht in die indische Kultur ein. Das bedeutet er muss sich zwingend auch an indische Gesetze und Bräuche halten. Natürlich wird von niemandem verlangt, er müsse die Tiere füttern und anbeten, ganz im Gegenteil, wie oben beschrieben werden die meisten Tiere ja von einer oder mehreren Personen versorgt. Allerdings muss man sich besonders im Straßenverkehr in Acht nehmen, keines der Tiere zu verletzen oder gar zu töten. Der indische Straßenverkehr wäre wahrscheinlich auch ohne die zahlreichen Widerkäuer etwas chaotisch, mit ihnen jedoch ist er geradezu wahnwitzig. Daher sollte man als Europäer eher auf Taxis, Rikschas oder Chaufeure setzen um unbeschadet durch den Verkehr zu kommen – und natürlich keine Kühe oder Menschen anzufahren.
Gibt es in Indien eigentlich Rindfleisch?
In Indien gibt es eine weit verbreitete vegetarische Esskultur, allerdings nimmt der Fleischkonsum seit Jahrzehnten zu. Grund dafür ist die zunehmende “Verwestlichung”, insbesondere der urbanen Zentren Indiens. Es gibt in Indien viele Betriebe die Rindfleisch produzieren, besonders groß ist dabei der Anteil an Muslimen, da für diese die Kuh ein ganz normales Nutztier ist. Doch auch weniger gläubige Hindus essen und schlachten die Tiere, was tatsächlich auch immer wieder zu Konflikten innerhalb der Bevölkerung führt.