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LUST UND LEIDENSCHAFT AUF DEM SONEPUR JAHRMARKT

Seit der Antike gilt die Sonepur Mela als einer der größten und renommiertesten Viehmärkte in Asien. Er zeichnet sich sowohl durch sein religiöses Wesen als auch durch seine traditionellen Unterhaltungsformen aus. Selbst ohne die berühmten Dickhäuter zählt der Markt zu den beliebtesten Events Indiens.

von indienrundreisen.de
Elefant erster in den Ganges geht
Pilger warten darauf, dass der für sie heilige Elefant als erster in den Ganges geht. Danach folgen sie, um im heiligen Fluss zu baden © Samrat35

 
SONEPUR JAHRMARKT

Tantrik
Elefanten und Pferde
DER MARKT
Ein Festival voller Spaß und Spielerei
Wo kann man auf der Sonepur Mela übernachten
Wie sicher ist es?
NAVIGATOR


 

Verschlafen krieche ich aus meinem Zelt und gehe unter im Strom an Besuchern, der in der Dunkelheit der frühen Morgenstunden zum Fluss fließt – der Vollmond beleuchtet die Menschenmassen mit einem kaum merkbaren, fahlen Schimmer. Der bevorstehende Morgen macht sich noch rar – es ist erst 5 Uhr morgens – doch nach und nach säumen mehr und mehr Stände den Weg. Ein paar wenige Glühbirnen zieren die Stände und sorgen für eine schwache Beleuchtung, während die Verkäufer diverse Heißgetränke und Blumen für die Gläubigen anbieten. Im endlos scheinenden Marsch stapfen Menschen jeder Art und jeden Alters. Einige bewegen sich ruhig, während sich andere lebhaft und lachend unterhalten, als ob sie so der hartnäckigen Dunkelheit trotzen wollten. Mütter ziehen gähnende Kinder hinter sich her, die über den frühen Weckruf jammern, ältere Männer mit Wolldecken um die Schultern gewickelt ziehen vorbei, um sich vor der frischen Novemberluft zu schützen. Manche Leute singen und erinnern mich damit an den religiösen Hintergrund dieser Parade vor der Morgendämmerung.

Es ist der Morgen des Kartik Purnima (Vollmondtag) bei der Sonepur Mela in Bihar. Das Kartik Purnima ist das letzte, bedeutende religiöse Fest im hinduistischen Kalender. Hunderttausende Menschen pilgern aus allen Teilen Indiens und sogar Nepals in die eigentlich unscheinbare Stadt 40 km nördlich von Patna. Sie kommen hier her, um ihre Seelen in den kalten Gewässern, wo der Gandak in den Ganges mündet, zu reinigen.

Während der Sonepur Mela strömen die Pilger zum Ganges, um in seinem heiligen Wasser zu baden. Tausende von Anhängern besuchen den Hari Harnath Tempel und tauchen während ihrer Pilgerreise nach Kartika Purnima in den Fluss ein © Samrat35


Kartik Purnima ist eine der wichtigsten Feierlichkeiten des Hinduismus. Man feiert diesen Tag, da der Gott Vishnu eben dann seine erste körperliche Gestalt als Matsya – ein riesiger Fisch – angenommen hat, um die Menschheit vor einer gewaltigen Flut zu retten. Am selben Tag schoss Shiva einen Pfeil ab, der die drei Söhne Tarakasuras auslöschte – ein Dämon, der die Götter zu Fall gebracht und die Weltherrschaft erobert hatte. Deshalb werden an diesem Tag Flüsse, Tempel und Feste in ganz Indien zelebriert, um Vishnu und Shiva zu ehren.Der Menschenstrom schlängelt sich am Hari Harnath Tempel vorbei.

Lange Schlangen an Gläubigen warten dort geduldig darauf, sich in die Massen hineinzudrängen. So ziehen wir weiter. Je näher wir dem Fluss kommen, desto mehr nimmt der Druck des Gedränges zu, vor allem dort, wo Menschen einer nach dem anderen die schmalen Bambusrutschen zum Ghat hinunterklettern, worüber man ins Wasser gelangt. Über Lautsprecher werden die Götter gepriesen und die Regierung dafür gelobt, wie exzellent sie die Vorbereitungen für den Feiertag getroffen hat. Regelmäßige Ankündigungen drängen die Gläubigen weiter. Gerade als der erste Sonnenstrahl am Horizont den aufsteigenden Nebel durchbricht, erreichen wir nach einer anstrengenden Reise endlich das Kali Ghat und erleben die bemerkenswerten Szenerie im ersten Licht des Tages.

Die Sonepur Mela bietet Unterhaltung für jedermann, darunter einen Jahrmarkt, Tänze, Spiele und Musik © Gougnaf16


Neben dem Fluss kann man zwischen den Menschen kein Fleckchen Erde mehr erkennen. Tausende drängen sich auf dem Ghat, der an manchen Stellen noch als schlammiges Ufer bezeichnet werden kann. Doch die Menschen schieben sich weiter nach vorne und rutschen den Schlamm hinunter zum Fluss. Diejenigen, die schon im Wasser sind, vollführen diverse Rituale. Manche tauchen immer wieder im kühlen Strom unter, um sich der über Jahre angesammelten Unreinheiten zu entledigen.

Frauen, deren Gesichter von der Nase bis zum Haaransatz mit orangefarbenen Sindoor-Streifen bemalt sind, tragen Lampen, stecken Räucherstäbchen in den Boden und beten den Sonnengott und den Fluss an. Das Gewässer fließt langsam vor sich hin und glitzert im Licht der frühen Morgensonne, die das Sindoor leuchten lässt. Das unaufhaltsame Gedränge der Menge und das chaotische Treiben, der eindringliche Gesang, das feierliche Entzünden der Lampen und der entströmende Duft der Räucherstäbchen – keiner dieser Faktoren scheint das allgegenwärtige Gefühl der Ruhe zu stören, das die Szene beherrscht. Dieses Gefühl ist etwas, das ich immer mit Bewunderung bemerke, wenn ich von meinem Glauben überwältigt werde.So wie es für ländliche Märkte in Indien üblich ist, ist Sonepur nicht nur ein Ort der Andacht, sondern auch eine Gelegenheit für einige recht merkwürdige Geschehnisse.

Tantrische Aktivitäten auf dem Messegelände von Sonepur. Tantra-Aktivitäten sind im ländlichen Indien sowie in einigen Teilen des urbanen Indiens immer noch weit verbreitet. Dazu gehören das Sprechen von Zaubersprüchen und das Brauen von Tränken, die böse Geister vertreiben oder sogar beschwören sollen © Samrat35


Wahrscheinlich werden Sie einem Jungen über den Weg laufen, der sich einer Art mundan unterzieht. Dabei handelt es sich um eine besondere Zeremonie, bei welcher dem Jungen die Haare abrasiert werden und die damit endet, dass das geschorene Haar in einen alten Sari gewickelt wird, der mit Münzen, Papiergeld, Blumen und einem Prasad (religiöse Opfergabe) geschmückt ist. Das Bündel wird anschließend in den Fluss gelegt, wo es davon schwimmt. Währenddessen begleitet das unerlässliche Heulen eines männlichen Transvestiten das Ritual. Diese Zeremonie wird durchgeführt, um dem Jungen eine glückliche Kindheit, ein langes und gesundes Leben und eine wunderbare Ehefrau zu schenken.

Für einen langen Moment halte ich in Gedanken inne. Ob meine Eltern wohl meine abgeschnittenen Haare in einen Sari geknotet und in einen Fluss geworfen haben? Ich frage mich, wie mein Leben jetzt aussähe, wenn sie es getan hätten.

Ein Gewürzhändler stellt seine duftenden Waren während der Sonepur Fair aus, Bihar © JeremyRichards


Woher kommen Sie? Diese Frage wurde mir in Bihar ziemlich häufig gestellt. Ein ausländisches Erscheinungsbild scheint den meisten aufzufallen und eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, selbst in den gigantischen Menschenmassen auf dem Markt von Sonepur.

Meine Antwort lautet stets, dass ich die heiligen Tage miterleben und die Zeremonien auf Film dokumentieren möchte. Ich frage, wie viele Menschen den Markt in der Regel besuchen. Die Gefragten antworten, indem sie Blicke tauschen und mit den Achseln zucken. Manche von ihnen lenken Blick auf die Ghats, wo das Gewimmel eifriger Aktivitäten in hellen Farbtönen leuchtet.

Eine Person deutet auf einen Punkt am Ghat über uns. „Das ist ein Tantrik. Sehen Sie selbst“, sagt er mir und es klingt fast wie ein nachträglicher Einfall.

Die zahlreichen Stände bieten den Pilgern so gut wie alles, was man sich nur wünschen kann, von Erfrischungen und ayurvedischen Ölen bis hin zu Vorhersagen der eigenen Zukunft. Im Foto: Die einzigartige indische Praxis der Wahrsagerei: Der Papagei wählt eine Karte aus, die der Wahrsager daraufhin vorliest, um das Schicksal zu verraten © JeremyRichards


 

Tantrik

Ein Tantrik? Mir war bewusst, dass diese Personen Zaubersprüche aufsagen und Tränke brauen, die auf die eine oder andere Weise böse Geister vertreiben oder einen sogar mit einem solchen Geist bekannt machen können, solange man bereit ist, einen angemessenen Preis für seine Dienste zu zahlen. Tantriks existieren genauso lange wie die Religion selbst. Seit einer Weile erweist sich das Internet mit seinem Überfluss an Wissen und Informationen für viele als harte Konkurrenz. Aber einige Tantriks gibt es nach wie vor. Diejenigen, die Sonepur während des Kartik Purnima besuchen, kommen aus Nepal und den Stammesländern Jharkand und Bihar.

Na gut, das muss ich einfach sehen! Ich bahne mir meinen Weg durch die Menschenmenge zu der Stelle, auf die der Mann gezeigt hatte. Was ich dort sehe, kann ich kaum fassen. Drei Frauen hocken im Kreis um ein kleines Feuer und ein paar Lampen. Im Hintergrund schlägt immer wieder eine Trommel, während die Frauen zitternd im Takt des Trommelschlags in einer Sprache singen, die ich nicht verstehe. Ich verstehe weder Bihari noch einen anderen Stammesdialekt, also ist das an sich keine Überraschung. Doch umso mehr fasziniert mich die Szene. Eine der Frauen erhebt sich mit einem Stock in der Hand und beginnt damit, sich hin und her zu wiegen. Anscheinend befindet sie sich in Trance. Die Trommel schlägt nun schneller.

Die schwankende Frau folgt dem Rhythmus und strahlt ein Gefühl der Dringlichkeit aus. Auch der Tantrik steht jetzt auf, während er eine Beschwörungsformel spricht und beginnt, sich mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit zu drehen. Die allgemeine Stimmung schaukelt sich mehr und mehr in die Höhe, bis die Anspannung fast unerträglich ist – und dann hört das Ganze mit einem Mal auf. Die Frau setzt sich wieder. Ihre Augen sind geschlossen und ihr Wiegen ist jetzt ganz ruhig. Der Tantrik dreht sich um und legt seinen fixierenden Blick für einen Moment, der sich unendlich anfühlt, auf mich. Nervös und darauf bedacht, seinem Blick zu entkommen, verlasse ich den Kreis.

Ein Haufen lachender Kinder, die Eimer mit Dung auf den Köpfen tragen, der während der Viehmesse von Sonepur gesammelte wurde © JeremyRichards


 

Elefanten und Pferde

Wenn die Flusszeremonien beendet sind, richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Hauptattraktion des Marktes. Der Viehmarkt in Sonepur hat eine lange und ereignisreiche Geschichte. Je nachdem, wen man danach fragt, geht er entweder auf das Maurische Reich oder die Herrschaft von Aurangzeb zurück. Der Überlieferung zufolge wurden die besten Pferde aus dem weit entfernten Zentralasien dorthin transportiert, um die kaiserlichen Armeen mit würdigen Reittieren auszustatten. Trotz dieses Hintergrunds sind es nicht die Pferde, wofür der Markt am bekanntesten ist. Denn die wahren Stars der Show sind die Elefanten.

Sonepur, die Mela und die Elefanten kommen bereits in der Gajendhra Moksha vor, einer Geschichte, die in einem der 18 großen Texte des Hinduismus erhalten ist. Die Geschichte beschreibt wie Gajendhra, der Elefantenkönig, den Gandak bei Sonepur durchqueren wollte. Während er seinen Weg durch den Gandak machte, klammerte sich das Krokodil Gandharva an seinen Fuß. Tagelang stritten Gajendhra und Gandharva miteinander. In seiner Verzweiflung, rief der Elefant Gajendhra schließlich den Gott Vishnu um Hilfe an. Vishnu erhörte die Bitten und nahm die Gestalt von Hariharnath an, um das Krokodil zu töten. Diese Geschichte wird während des traditionellen Elefantenbads an Kartik Purnima wiedergegeben, mit dem die Sonepur-Mela beginnt.

Elefanten stehen Schlange, um während der größten Viehmesse Asiens verkauft zu werden. Käufer sind hauptsächlich Holzfäller und die Forstverwaltung © JeremyRichards


Zumindest war dies bis vor Kurzem der Fall. In den 80ern brachten Holzfäller, Tempel und einzelne Elefantenbesitzer Hunderte Elefanten aus ganz Bihar, aus dem angrenzenden Uttar Pradesh und sogar aus Assam nach Sonepur. Heutzutage hat sich die Anzahl jedoch deutlich verringert. Vorschriften verbieten inzwischen den Handel mit Elefanten und nur wenige Besitzer nehmen ihre Dickhäuter mit auf den Markt.

Ein Händler verkauft seine kunstvoll ausgestellten Snacks an einen Kunden. Die Sonepur Viehmesse findet jedes Jahr im November und Dezember statt © Rupesh Kumar Photography


 

DER MARKT

Die Sonepur Mela ist ein jährlich stattfindendes Festival, das sich über einen ganzen Monat zieht. Es beginnt am Kartik Purnima, einem Tag im hinduistischen Mondkalender, der normalerweise auf irgendein Datum im November fällt. Sie gilt als der größte Viehmarkt Asiens und schloss einst eine Unzahl von Tieren ein, darunter Elefanten, Pferde, Büffel, Ziegen, Hunde und sogar Vögel und Kaninchen. Unter der Woche besuchen schätzungsweise täglich zwischen 25.000-30.000 Menschen den Markt, an den Wochenenden sogar noch mehr.

Die Mela ist ein ländlicher Jahrmarkt voller Leben und ein Ort für Sexualität, spirituelle Andacht, Viehhandel sowie ein sonderbares Unterhaltungsprogramm. Die Besucher begegnen einem vielfältigen Spektrum von Attraktionen und Produkten. Zauberer, Tantriks und Gurus beeindrucken die Pilgerscharen. Außerdem können die Besucher Fahrgeschäfte genießen, den Kunststücken von Zirkusakrobaten, Kampfsportlern und Tänzerinnen beiwohnen und die Leckereien an Imbissbuden und das Kunsthandwerk und andere Artikel an den zahlreichen Ständen entdecken. Die hiesige Karnevalsatmosphäre wird von keinem anderen Markt auf der Welt übertroffen. Mela Bihar Tourism organisiert außerdem kulturelle Veranstaltungen mit Tanz, Musik und sogar traditionellen Sportwettkämpfen wie Ringen.

Ein Straßenstand bietet auf der Sonepur Mela süße Jalebis an. Diese Süßigkeit ist in ganz Südasien und im Nahen Osten beliebt © Rupesh Kumar Photography


Nach der Tradition der Sonepur Mela befinden sich auf dem Markt tausende von Pferden. 2017 brach auf der Pushkar Mela in Rajasthan eine Epidemie aus, die die Besitzer davon abhielt, ihre Pferde auf dem Markt zu präsentieren und zu verkaufen. Deshalb sind sie nun besonders darauf erpicht, auf der Sonepur Mela gute Geschäfte zu machen. Auf dem Ghoda-Basar (Pferdemarkt) verliert man sich in den bis an den Horizont erstreckenden Reihen über Reihen von Pferden. Der Duft des Futters gemischt mit dem Geruch der Pferdeäpfel zieht sich durch den Markt, wo Pferdefreunde und -besitzer verhandeln und Geschäfte abschließen. Manche Besitzer reisen mit mehr als 20 Pferden an und bauen ihre eigenen Zelte auf, während andere weniger Tiere dabeihaben und sich vor ihrer Abreise mit schnellen Geschäften begnügen.

Morgens und abends promenieren die Besitzer auf ihren Pferden den Markt entlang. Um Schaulustige anzulocken und zu unterhalten, rufen und johlen sie und regen ihre Pferde an, mit den Hufen Staub aufzuwirbeln. Dabei besteht immer eine gewisse Gefahr, von einem der Pferde getreten zu werden, da die abgerittene Strecke, auf der sie rasant zwischen den Menschenmassen galoppieren, recht schmal ist. All das soll potenziellen Käufern die Chance geben, das Beste vom Besten mit eigenen Augen zu erspähen.

Obwohl die einmonatige Sonepur Mela hauptsächlich dem Rinderhandel dient, gibt es viele andere Aktivitäten und Veranstaltungen zur Unterhaltung der Besucher, wie z.B. Volksmusik-, Musik- und Tanzvorführungen © Gougnaf16


Gebannt beobachte ich die vorbeirasenden Pferde, als ich mit einem Pferdehändler aus Uttar Pradesh ins Gespräch komme. Mich interessiert, wie der Pferdehandel in diesem Teil der Welt abläuft. Der Händler kommt aus der heiligen Stadt Mathura und ist das erste Mal auf der Sonepur Mela. Normalerweise besuchte er die Pushkar, aber dieser Markt war heutzutage einfach nicht mehr so attraktiv wie früher. Also frage ich, mit wie viel man für ein gutes Pferd rechnen kann. Ramlal gibt mir auf die Schnelle ein paar Tipps, worauf man bei einem Pferd achten sollte. Der Wert eines Pferdes ist von diversen Merkmalen abhängig – von der Größe, dem Glanz des Fells, seinem Gang und bestimmten glücksverheißenden Faktoren.

Weiße Pferde gelten als besondere Auslese, während die aus Bihar stammenden Vierbeiner die besten Traber sind. Der Preis, den Käufer und Verkäufer letztendlich vereinbaren, bleibt vertraulich. Ordnungshalber wird deshalb nach alter Tradition verhandelt. Beide Parteien fassen sich an den Händen, die mit einem Dupatta bedeckt sind. Dann fassen sie die Hände des anderen und machen durch Drücken einer bestimmten Anzahl von Fingern ein Preisgebot. Will man 90 bieten, so drückt man zuerst fünf Finger und dann vier. Nun, ich denke, das ist ein wenig außerhalb meiner Preisklasse!

Ein Mann schmückt den Kopf eines Elefanten. Elefanten werden von Hindus als heilige Tiere betrachtet © Arindam Chowdhury


 

Ein Festival voller Spaß und Spielerei

Im Herzen ist die Sonepur Mela ein ländliches Festival, das über den gesamten Verlauf des Markts Lakhs von Besuchern anzieht. Sobald die religiösen Riten und der Viehhandel beendet sind, wenden sich die Anwesenden unterhaltsameren Beschäftigungen zu. Die hier – wie auch auf anderen Märkten – ausgestellten Objekte und veranstalteten Aufführungen vermitteln ein authentisches Gefühl des ländlichen Indiens. Es fällt beinahe leichter, das aufzuzählen, was dort nicht zu finden ist – denn die Liste der Attraktionen ist ellenlang! Von Ständen, an denen Ringe verkauft werden, die Alpträume heilen oder ein schwächelndes Unternehmen retten sollen, bis hin zu Essensständen die überzuckerte Jalebis und frittierte Flussfische anbieten, ist alles dabei.

Doch zweifellos ist es das facettenreiche Unterhaltungsprogramm, dass das Publikum zum Staunen bringt. Nur hier kann man das miterleben, was die Biharis als „Theater“ bezeichnen, nämlich den Auftritt haufenweiser spärlich bekleideter Frauen, die ihre Körper im Rhythmus populärer, regionaler Hits bewegen. Diese Frauen, die in der Regel aus Kalkutta und Mumbai stammen, tanzen und räkeln sich suggestiv auf überdachten, provisorischen Plattformen zu viel zu lauter, regionaler Bhojpuri-Musik. Diese „Theater“-Aufführungen beginnen gewöhnlich um 22 Uhr.

Eine alte Frau begleitet sich selbst auf einem traditionellen Musikinstrument. Musik ist ein wichtiger Teil der Mela © Samrat35


Neben einem der Theaterzelte tritt der berühmte Jadugar, ein Dorfzauberer, auf. Nachdem er bereits vier Mal bei Sonepur aufgetreten ist, ist seine Show trotz Fernsehen, Youtube, Netflix und Streaming nach wie vor äußerst beliebt. Der Lärmpegel seiner Darbietung prallt mit den Geräuschen des „Theaters“ nebenan aufeinander. Aber ich bin mehr daran interessiert, mich Richtung Maut ka Kuan zu bewegen.

Von weitem konnte ich hören, wie ein Junge aus ein paar Lautsprechern schrie: „Dekho, khel maut ka, maut se khelne wale jabaanz! (Seht, das Spiel des Todes, Draufgänger, die dem Tod trotzen) Nur 25 Rupien, 25 Rupien!“ Die provisorischen, abgerundeten Wände des Brunnens des Todes wurden aus verbundenen Holzbrettern etwa 50 Fuß in die Höhe gezogen.

Jungen kümmern sich um Elefanten. Die Sonepur Mela ist die einzige Veranstaltung in Indien, bei der jährlich eine große Anzahl dieser majestätischen Tiere verkauft wird © Koscusko


Meine Aufregung spitzt sich zu einer beinahe unerträglichen Vorfreude zu. Gleich werde ich den unheilvoll benannten Maut ka Kuan oder „Brunnen des Todes“ mit eigenen Augen sehen. Hier steigen unglaublich geschickte – und wahnsinnige! – Fahrer auf Motorräder oder in uralte Maruti-Autos und rasen um einen unfassbar steilen – und baufälligen – Velodrom. Diese Akrobaten lassen ihre Motoren beinahe im Gleichklang mit den wilden Lautsprecherrufen des Jungen aufheulen. Ich zahle die 25 Rupien und sprinte die Treppe hinauf, um mir einen der besten Plätze zu sichern.

Der Zuschauerraum ist bald bis zum Bersten voll mit Schaulustigen, die zwei oder drei Reihen tief stehen. Endlich beginnt die Show! Als Erstes erscheint ein Biker mit einem roten Helm, der den Eindruck macht, als ob er mehr zur Show als zum Schutz aufgesetzt wurde. Der Mann zündet seine abgewetzte Yamaha und fährt mit ihr an die Innenwand. Mit zunehmender Geschwindigkeit steigt seine Maschine höher und höher und schon bald kreist er rasend schnell fast parallel zum Boden um die Wand herum. Ein zweiter Biker und dann ein dritter fahren die Wand hinauf, bis alle drei auf Höchstgeschwindigkeit dahinbrausen. Ihre Motoren dröhnen so laut, dass man den Lärm der Menschenmenge und des Markts außerhalb der Mauern kaum wahrnimmt.

Flötenverkäufer am Eingangstor der Sonepur Mela, Bihar © Samrat35


Aber das ist noch längst nicht alles! Denn jetzt zeigen die Motorradfahrer, welche Stunts sie in petto haben, wie zum Beispiel seitwärts sitzend oder im Stehen zu fahren. Dann reihen sich alle drei Biker nebeneinander auf, nehmen sich gegenseitig an den Armen und fahren in einer Reihe an der Wand entlang. Ich verspüre den Drang, meine Augen zu schließen, damit ich den drohenden Absturz nicht sehen muss! Aber kurz darauf wird es noch verrückter. Maruti-Autos gesellen sich zu den Bikern an die tödliche Wand. Das alte Maruti mit 800 ccm Hubraum das einzige Auto, das für die Maut ka Kuan geeignet ist, da es mehr oder weniger als einziges Fahrzeug das passende Leistungsgewicht hat, um es an der Wand zu halten.

Die drei Motorräder und zwei Autos bringen den Brunnen zum Erschüttern. Die fünf Fahrzeuge treten mit immer waghalsigeren Stunts gegeneinander an. Zum Beispiel setzen sich die Autofahrer mit verschränkten Armen auf die Windschutzscheibe, als ob es die einfachste Sache der Welt wäre. Die Motorradfahrer kreisen immer höher, bis ganz oben an den Rand der Wand, nahe genug, um die wedelnden Geldscheine der aufgeregten Zuschauer zu greifen. Doch wenn der Geldschein zu klein ist, verzichten sie auch mal darauf.

Die ganze Szene ist der reine Wahnsinn – Fahrer von fünf klapprigen, ramponierten Fahrzeugen, die scheinbar unter Missachtung der Gesetze der Physik in einer endlosen Spirale rasen. Und das alles auf einem ländlichen Jahrmarkt in Bihar. Schließlich fahren die Show – und die Fahrzeuge – langsam runter, und ich schließe mich den Zuschauern an, die den Veranstaltungsort verlassen. Als ich mich auf die Suche nach einem Erfrischungsgetränk mache, schallt aus den Lautsprechern wieder die Stimme des Jungen und am Eingang bildet sich erneut eine Schlange.

Nur eine weitere Show auf der Mela, nehme ich mal an!

Die Stände bieten den Besuchern so gut wie alles, was das Herz begehrt, von Erfrischungen und ayurvedischen Ölen bis zur Zukunftsprognose © Samrat35


 

Wo kann man auf der Sonepur Mela übernachten

Bezaubernde Strohhütten mit westlichen Badezimmern von Bihar Tourism sind äußerst angenehme und erschwingliche Unterkünfte. In der ersten Woche kosten sie etwa 100 USD pro Nacht (exklusive Verpflegung und Steuern). Ab der zweiten Woche sinken die Preise auf etwa 40 USD.

Ich wohnte in einer Unterkunft in Patna, das etwa 30 bis 60 Autominuten vom Markt entfernt liegt (je nach Verkehrsaufkommen). Vom Hotel Kautilya in Patna kann man einen Shuttlebus nehmen, der von Bihar Tourism zur Verfügung gestellt wird, aber ich persönlich empfehle, ein Auto mit einem englischsprachigen Fahrer zu mieten.

Zauberer unterhalten die Besucher bei einer Zaubershow im Auditorium auf dem Gelände © Samrat35


 

Wie sicher ist es?

Obwohl Bihar seit einigen Jahren einen schlechten Ruf hat, ist es einer der am schnellsten wachsenden Bundesstaaten Indiens. Bihar hat großes Interesse daran, den Tourismus zu fördern und macht daher große Fortschritte, die öffentliche Sicherheit zu erhöhen. Treffen Sie vernünftige Vorsichtsmaßnahmen und gehen Sie nachts nicht allein auf die Straße. Auf dem Markt und im Bihar Tourism Tourist Village sind Sicherheitsbeamte im Einsatz.

Ein faszinierender Schmuckstand mit Tausenden von bunten Armbändern auf der Sonepur Mela © Samrat35


 

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WIE KOMMT MAN HIN

Sonepur liegt etwa 40 km von Patna entfernt. Als Hauptstadt des Bundesstaates Bihar gibt es Direktflug- und Bahnverbindungen zu allen größeren, indischen Städten. Die schnellste und bequemste Art, nach Sonepur zu reisen, ist mit dem Taxi, das etwa 20 USD kostet.
 

WO KANN MAN ÜBERNACHTEN

Sonepur verfügt in der Regel nur über wenige Unterkünfte, aber während des Markts betreibt Bihar Tourism ein Tourist Village mit komfortablen Strohhütten mit westlichen Badezimmern. In Patna gibt es eine gute Auswahl an Hotels in allen Preisklassen.

Ein Mann steht an seinem Stand mit kleinen, bunten Vögeln. Während der Viehmesse in Sonepur werden eine Vielzahl von Tieren, sogar Vögel, zum Verkauf angeboten © Jeremy Richards


 

WO KANN MAN ESSEN

Im Tourist Village befindet sich ein Restaurant, das einfache, indische Küche anbietet. Aber die meisten Mahlzeiten werden Sie vermutlich an den zahlreichen Essensständen der Mela zu sich nehmen. Diese bieten eine riesige Auswahl an Speisen an, von Jalebis, über gekochte Masala-Eier und frisch gebratenen Flussfisch bis hin zu Bihars berühmtem Litti chokha. Ein Hinweis für Ausländer, die den Markt besuchen – erkundigen Sie sich vor Ihrer Bestellung, was im Essen enthalten ist.

Tanzshows sind eine der Hauptattraktionen der Messe, vor allem unter jungen Leuten, die den meist weiblichen Darstellerinnen gerne beim Tanzen zu populären Bhojpuri-Liedern zusehen © Prabuddharay


Früher wurden Wildtiere wie Löwen, Bären und Tiger auf der Messe verkauft, aber da diese Tiere nicht mehr in Zirkussen auftreten dürfen, sind Elefanten die einzigen Wildtiere, die noch zum Verkauf stehen. © Prabuddharay


Nutztiere machen einen großen Teil der Messe aus. Viele Pferde, Rinder, Kamele, Büffel und Ziegen wechseln den Besitzer © Prabuddharay


Neugierige Schaulustige beobachten die Stunts der Akrobaten im Well of Death oder Maut ka Kuan. Diese Shows sind äußerst beliebt und ziehen jedes Jahr große Menschenmengen an © Prabuddharay


Viele Besucher besuchen die Mela, um sich die beliebten Tanzshows anzusehen. Die Tänze werden in der Regel von Tänzerinnen aufgeführt und ziehen oft ein jüngeres Publikum an © Prabuddharay


Besucher kommen von nah und fern, um an der größten Viehmesse Asiens teilzunehmen. Diese Familie ist gerade vom Land angekommen


Jeden Morgen und Abend, entlang einer bestimmten Strecke des Ghoda-Basars, führen die Pferdebesitzer ihre feinsten Exemplare vor, um interessierte Käufer anzulocken © panoglobe


Ein junger Mann bereitet Jalebis an einem Süßigkeitenstand bei den Sonepur Mela zu © Rupesh Kumar Photography


Ein Priester steht am Ufer des Gandaks in Sonepur © Samrat35


Nahaufnahme von zwei Frauen, die von der Nasenspitze bis zum Haaransatz mit leuchtend orangem Sindoor bemalt sind und süßen indischen Milchtee trinken © Samrat35


Frauen, von der Nasenspitze bis zum Haaransatz mit roter Sindoor bemalt, betrachten Dekorationen im Basar von Sonepur © Samrat35


Ein junges Mädchen demonstriert seine Fähigkeiten am Drahtseil. Shows wie diese sind auf Melas in Indien recht häufig zu sehen © Prabuddharay


Auch Kleintiere, wie Kaninchen und Hunde sowie diverse Vögel, werden auf der Messe verkauft © Prabuddharay


In den 1980ern wurden Hunderte von Elefanten in Sonepur gehandelt. Heute sind es nur noch wenige Dickhäuter © Prabuddharay


Der Maut ka Kuan oder Brunnen des Todes ist eine besonders waghalsige Attraktion. Eine erlesene Auswahl außergewöhnlich geschickter und tollkühner Motorradfahrer rast um die unglaublich steile Wand eines improvisierten Velodroms


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